Hallo Leude!
Unsere neueste Folge dreht sich um die Missverständnisse und Annahmen unterschiedlicher Parteien, die miteinander zutun haben. Selbstwert, Abhängigkeit und Trugschlüsse. Unsere Annahmen sind geprägt von Vorurteilen, „ich weiß was, was du nicht weißt“ und den Problemen non-verbaler Kommunikation. Hört sich kompliziert an, ist es auch!
Ein Beispiel, damit ihr mich etwas besser versteht. Ich traf vor vielen Jahren einen guten Bekannten beim Spazierengehen. Er hatte Krebs. Ich wusste das nicht. Er wusste nicht, dass ich das nicht wusste. Ich saß in einem Elektrorollstuhl. Er wusste nicht, dass ich schon seit vielen Jahren an MS erkrankt gewesen war. Ein Szenario, wie geschaffen, um sich komplett misszuverstehen. Hinter der jeweiligen Stirn lief ein Film ab, der nichts mit dem Film hinter der Stirn des Anderen zutun hatte, obwohl es um exakt dasselbe Szenario ging.
Vorab! Um ein solches Dilemma voll falscher Schlüsse des Aneinandervorbeiredens und sich daraus entwickelnden fehlgeleiteten Informationen zu verhindern, muss man miteinander reden.
Nur besteht durch die festzementierten, falschen Annahmen gar kein Grund dafür. Das ist ein echtes Dilemma!
Ich saß also im Rolli und dachte: „Meine Güte siehst du schlecht aus!“ Fahle Gesichtshaut, grau, eingefallene Wangen. Es war Sommer, ich saß braun gebrannt mit kurzer Hose, ohne Schuhe und einem Shirt in meinem „Captain Kirk Rolli“, wie ich ihn stolz nannte.
Warum auch immer, dachte ich nicht, dass er unheilbar krebskrank ist, obwohl er, im Nachhinein betrachtet, so aussah.
Was er dachte, kann ich nur mutmaßen. Sein fahles Gesicht hätte mir vielleicht mehr zu denken gegeben, hätte mich nicht dieses herausspringende Entsetzen in seinen Augen so abgelenkt. Es hat mich richtiggehend paralysiert. Dann neige ich dazu, die Situation zu relativieren, klein zu reden. Meine Situation war natürlich nicht klein. Nur! Ich konnte halt nicht laufen und auch ganz schlecht in einem Aktivrollstuhl sitzen. Aber, und das hört sich möglicherweise etwas merkwürdig an, ich hatte gerade das Gefühl, meine Krankheit sei weg. Krankheit ist etwas anderes als Behinderung! Ich konnte relativ wenig Aktives, aber ich fühlte mich gut. Und vor allem sah ich positiv in die nächste Zeit.
Er konnte scheinbar alles (noch ein paar Tage), aber fühlte sich – wie wir später herausfanden – sterbenskrank. Statt uns noch einmal zu unterhalten, geriet das Gespräch zu einem Ping Pong von „Oh Gott, du sitzt im Rollstuhl“ und „Ne, ist schon ok, mir gehts gerade richtig gut“.
Dass er nur noch 14 Tage gelebt hat nach dieser Begegnung, bei der wir nur über mich geredet hatten, ist ein Desaster, an dem ich lange zu knabbern hatte.
Nichts kann schlechter sein, als aus falschem Verständnis, bla bla oder gar nicht zu reden.
Personen, die mit uns zutun haben, möchte ich aufrufen, einen Moment innezuhalten. Der Kampf um Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen hat nichts bei der Arbeit mit uns zu suchen! Egal was eine Person tut, wenn sie mit uns in Kontakt kommt, als Reinigungskraft, Therapeutin oder Arzt/Ärztin, sie hat verdammt nochmal ihren Berufs-Beef vor der Tür zu lassen.
Wir Interessieren uns in der Behandlung nicht für die Begehrlichkeiten von Ärzten und Therapeuten! Außer wir sagen es. Und die Reinigungskraft arbeitet bei Menschen in einer speziellen Situation, die Respekt und ein Mindestmaß an Mitdenken erfordert.
Euer Ingenieur! C