Folge 3/25: Ärzte-Tourismus – Jetzt wieder mit Drehkreuz

Hallo Leude!

Fachmedizinierende behaupten in den sozialen Medien immer mal wieder, dass Patient*innen zunehmend radikaler darauf bestehen, dass sie krank sind, obwohl nichts diagnostiziert werden kann. Angeblich fahren die Menschen dafür zig Kilometer und grasen alle Fachpraxen, die sie für zuständig halten, im Umkreis ab.

Natürlich können Einzelbeobachtungen von Fachmedizinierenden nicht ein allgemeines, umfassendes Bild ergeben. Ich fand keine Quelle, die statistisch einen Anstieg von Inlandstourismus in Fachpraxen nachweist. Trotzdem ist es komisch, oder? Nun sagen die Medizinierenden in den sozialen Medien nicht, welches Fachgebiet sie abdecken. Die bloße Anzahl von Praxen-Besuchen scheint mir nicht allein sinnvoll zusein, um eine generelle Tendenz in der Bevölkerung sichtbar zu machen. Urologie-Praxen, die sehr viel von alten Männern frequentiert werden, so wie Gynäkologie-Praxen, die wohl überwiegend von Patientinnen aufgesucht werden, können bezüglich der Patient*innen-Gewohnheiten schwerlich miteinander verglichen werden.

Da werden sicher noch andere Gründe eine Rolle spielen.

Nun versuchte man schon mehrfach, Hausärzt*innen als „Gatekeeper“ einzuführen, um sinnlose Untersuchungen zu vermeiden. Wir MS-Erkrankte fallen übrigens heraus, da chronisch Kranke immer noch direkt zu ihren Ärzt*innen gehen dürfen.

Wo sollen eigentlich die ganzen Gatekeeper herkommen? Sie werden durch die eigene KV ziemlich schlecht bezahlt. Sie müssen die umfassendsten Kenntnisse besitzen und dann auch noch zu Menschen nach Hause gehen. Das ist eine super Idee. Neurolog*innen gibt es schon kaum, aber den „Landarzt“ gibt es nur noch im Vorabendprogramm der Fernsehsender. Angeblich will das niemand machen. Was ich zum Zeitpunkt unseres Podcasts noch nicht wusste, ist direkt am nächsten Tag in meinen Briefkasten geflattert. Meine Praxis beteiligt sich am Hausarztmodell und möchte, dass ich da mitmache. Auf dem Flyer kann ich lesen, dass es auch um faire, leistungsbezogene Bezahlung von Hausärzt*innen geht. Das ist schon interessant, denn immerhin gründeten Ärzt*innen ihre Selbstverwaltung, die KV, 1931 genau aus dem Grund, weil sie von den Kassen ungleich behandelt wurden. Unfaire Bezahlung. Jetzt sind ausgerechnet die Medizinierenden gearscht, die die besser verdienenden Fachmedizinierenden entlasten sollen. Interessant, oder?

Tja, so ist das mit Fairness! Offenbar meinen die Funktionäre der KV, dass Radiologierende am meisten verdienen sollen. Das hat dann sicher nichts mit dem Fachgebiet, der Verantwortung oder der Komplexität zutun. Sie diagnostizieren nichts, schneiden nix raus, sondern machen mit unfassbar teuren Maschinen Bilder. Und weil die so teuer sind … genau … deshalb müssen die richtig viel Geld bekommen. Augenheilkunde wird auch richtig toll versorgt. Ne Brille braucht ja auch jeder irgendwann. Übrigens Augenheilende aufzusuchen, macht bei MS wenig Sinn, da nicht das Auge, sondern der Augennerv bei Augensymptomen befallen ist, und der gehört nicht zum Auge, sondern zum zentralen Nervensystem. Hängt am Auge, gehört aber nicht dazu.

Das kenne ich! Mein Gerät, das ich entwickelt hatte, brauchte natürlich mehrere Leitungen damit es angeschlossen werden konnte. Nun wollte mein Kollege unbedingt Herr über die Leitungen sein, weil diese durch Schränke gingen, für die er zuständig war. Ich bin quasi der Augenheilkundler, dem sie den Nerv weggenommen hatten und an die Neurologisierenden verschenkten. Blöd! Dummerweise konnte der Schranktyp keine Leitungen aussuchen oder gar entwickeln, die funktionieren, da er von dem Gerät keine Ahnung hatte.

So wie Patient*innen dann von einem zum anderen geschickt werden, wenn MS noch nicht diagnostiziert ist, schob der Schranktyp die Funktionsfehler auf mich und ich auf ihn. Ich hatte natürlich Recht.

Mit einem Auge ohne Leitung kann man halt nix anfangen. Da reicht ein Glasauge.

Die Neurolog*innen werden sicher sagen, dass das Auge der Sensor für das Gehirn ist und der Augenheilkundler nur der Sensor-Typ ist. Quasi der Schranktyp nur umgekehrt.

Warum verdient dann der Sensor-Typ so viel mehr als der Neuro-Typ? Na, weil der Schrank-Typ soviel mehr verdiente als ich und im Vorstand saß. Könnte es sein, dass die Geldverteilung nicht wirklich was mit mit der Arbeit zutun hat, sondern mit den Cojones der Ärzte (männlich)?

Nur konnte der Schrank-Typ nichts in Ordnung bringen, wenn etwas nicht funktionierte. Und das sollen jetzt die Hausärzt*innen übernehmen. Coole Idee. Ich war der Hausarzt, im übertragenen Sinn.

Das wird bei den Studierenden ganz sicher einschlagen wie eine Bombe. Viel Arbeit, wenig Geld, beschissene Arbeitszeiten und fehlende Anerkennung ist sicher extrem attraktiv, um den Top-Verdienenden den Rücken frei zu halten. Die wiederum fühlen sich selbst auch alle schlecht bezahlt. Fragt man sie in den sozialen Netzwerken gegenüber welchem anderen Berufsstand sie denn schlecht verdienen, wissen sie das natürlich nicht, da sie keine Ahnung haben, was man da machen muss und was man verdient.

Ein Grund, warum ich nicht mehr zu Ärzten (Männer) gehe, ist, dass sie mir die Ohren vollheulten, wie arm sie sind.

Ich werde an dem Hausarztmodell teilnehmen, weil die Nachfolgerin meiner pensionierten Hausärztin auch weiterhin zu uns nach Hause kommt, und weil sie vertrauensvoll und gut ist. Ich bin ja nicht seit gestern krank. Also bin ich derjenige, der eine Leistung einschätzen kann. Der super verdienende Radiologe, der damals nicht einmal meine Überweisung las und deshalb meinte, ich hätte irgendwann mal einen Bandscheibenvorfall gehabt, bekommt ein „Thema verfehlt“, und eine sechs von mir. Er sollte nach Läsionen im Hirn gucken. Vielleicht sollte man auch die Fallpauschalen-Bezahlung überdenken? Wenn dir einer Fahrradreifen an dein Auto schraubt, bezahlst du ihn doch nicht, oder? Da bin ich pingelig.

Euer Ingenieur

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