Folge 2/15: Celine hat SPS, und wir haben Fragen…

Hallo Leude!

Ein Gerücht geht um! Erst war es nur ein Raunen, dann raschelte es gewaltig im Blätterwald. Um was es geht, fragt ihr euch? Celine Dion soll bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele auftreten. Einige Medien fabulieren reflexhaft von einem „Comeback“ der schwer chronisch erkrankten kanadischen Sängerin.

Derlei Nachrichten erreichen mich persönlich nur beim Zahnarzt in Form eines „Lesezirkel“ Blättchens. Und, was soll ich sagen, als ich zur Gala griff, auf der Celine Dions Konterfei hübsch und gesund wie immer prangte, kam ich dran! Da kam ich ein einziges Mal pünktlich dran und wollte eigentlich erst den Artikel lesen. Hastig klappte ich gerade noch die Gala auf und las die Schlagzeile.

Das Geräusch des Bohrers lenkte mich im Behandlungsstuhl angekommen akustisch ab. Es brummte vor sich hin und ich dachte:

„Vielleicht rollen sie Michael Schumacher zum Duett daneben bei Olympia! Oder sollen doch die Paralympics so eröffnet werden?“

Kurz vor diesem Zahnarzttermin hatten Edda und ich noch über Dion geplaudert. Auf „Prime“ war eine Dokumentation von Dion erschienen, in der sie sich so ganz undivenhaft, und von Krankheit gezeichnet, präsentiert. Ungeschminkt, alt und krank.

„Stiff Person Syndrom“ kurz SPS heißt die höchst seltene neurologische Krankheit, unter der Dion schon mehr als ein Jahrzehnt leidet.

Lasst euch gesagt sein, das ist kein Dauerschnupfen oder ein eingewachsener Fußnagel, der bei Auftritten nervt. Nein! Die gesamte Muskulatur des Körpers, bevorzugt Rumpf und Arme wollen einzig eine unverrückbare Position einnehmen und sich nach Möglichkeit nicht mehr rühren, so man sie lässt. Steifigkeit, Stiffness! Das einzig Positive bei dieser Erkrankung ist wohl der sehr unkomplizierte Name, der alles zur Krankheit sagt. Die ist so selten, dass sich nicht mal ein Arzt oder eine Ärztin gefunden hat, die dem Mist ihren Namen geben wollten. „Morbus“ und dann der Nachname von jemandem, dem eine Veröffentlichung der selbst gefundenen Anomalie im „Lancet Neurology“ nicht reicht, ist eigentlich unfassbar beliebt unter Medizinierenden. Wenn du das in der Schule machst – hey, ich war´s, ich hier hinten …!“ –, würde man dir schnell heimleuchten. In der Medizin ist das der heiße Scheiß!

Und Leude, es war ja nicht nur das Porträt von Celine Dion, das mich beim Zahnarzt anstarrte. Außer der neuesten Porsche Fachzeitschrift, irgendetwas mit Villa und ne Golfzeitung sind alle Zeitschriften bei meinem Zahnarzt Jahre alt.

So guckte mich daneben Sophia Loren an. Ja, Tatsache! Ich dachte eigentlich, die gäbe es nur in Schwarzweiß. Aber die lebt noch und wird dieses Jahr neunzig Jahre alt. Ich kann euch sagen, solltet ihr die Doku „I am Celine Dion“ gucken, denkt an meine Worte und haltet gedanklich ein Bild von Sophia im Kopf parat. Die ist ja auch naturschön, sagt man! Ja, bis fünfundvierzig und nicht bis doppelt so alt.

Ein WEB-Medium sagt, Macron, der Präsi höchstselbst, hätte Celine mit 2,7 Millionen Euro eingeladen, mal Fünfe gerade sein zu lassen und bei Olympia zu singen.

Was alles dran ist, am Gerausche im Blätterwald, wissen wir erst, wenn die Eröffnungsfeier zu sehen ist. Sollte Dion auftreten, wird sie definitiv so gut wie Sophia Loren aussehen.

Die Bewunderungsstürme werden durch die Gazetten fegen, auch wenn sie scheiße singen sollte, was ich nicht glaube. Vielleicht lässt sie dann wieder einfach das Publikum singen in Paris. Das war nämlich ihr Trick, wenn das SPS ihr das Zwerchfell lähmte und sie nicht mehr singen konnte. Für Luftholen und dann noch singen braucht man funktionierende Muskeln, die nicht im Tiefschlaf verkrampft einfach nur anwesend sind. Sie müssen funktionieren.

Celine Dion kennt sich aus mit dem Funktionieren wie keine Zweite. Man nennt es Professionalität. Wer die Doku sieht, könnte auch auf die Idee kommen, dass es mehr als Professionalität braucht. Besessenheit trifft es eher. Die 2,7 Mios von Macron – ach ne, die soll der französische Staat ja bezahlen – sind doch nur Nüsse.

Bei einem bin ich hundert Prozent sicher. Für Geld singt sie schon ewig nicht mehr. Davon hat sie so viel, dass es langweilig ist. Warum tut sie sich das dann an, nachdem sie endlich den Absprung vom Hamster-im-Rad-Dasein geschafft hat?

Hört man richtig zu beim Schauen der Doku, entgeht einem nicht, dass sie sich zur Rehabilitation zurückgezogen hat. Die dauert bei der gesetzlichen Krankenkasse gerade mal vierzehn Tage für schwerst Kranke. Da sind zwei Jahre bei einem Superstar schon oberstes Regal. Nein, ich glaube, Celine Dion ist ein Aufmerksamkeits-Junkie. Und das im positivsten Sinn! Ja, jetzt seid ihr erstaunt, welche Wende der Text nimmt.

Vergesst das Wischiwaschi der Journalie! Wer so eine Begabung hat und dafür so gefeiert wird, will das weiter haben. Auf Teufel komm raus. Die unfassbare Disziplin und die viele Arbeit, die man als Fan im Publikum nicht sieht, ist wie bei Leistungssportlern absolut notwendig, um besondere Leistungen überhaupt erbringen zu können.

Wenn Edda oder ich uns in der Reha quälen oder täglich bei der KG, möchten wir auch, dass etwas dabei rausspringt. Was könnte toller sein, als ein Millionenpublikum, das deine Leistung begeistert abfeiert, zu besingen? Celine Dion kann einfach nicht ohne das. Sie wird alles menschliche und darüber hinaus tun, um das wieder zu bekommen.

Was für ein wunderbarer Anreiz, sich zu quälen bis aufs Blut und dabei ganz nebenbei SPS im Griff zuhaben. Wenn eine den Auftritt bei der Eröffnungsfeier unter den Bedingungen rockt, dann wird es Celine Dion sein.

Und lasst euch gesagt sein!

Das kann nur vollbringen, wer sich vorher schon ewig diszipliniert hat und mit 99,5% todunglücklich ist.

Euer Ingenieur

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