Hallo Leude!
Wir begrüßen unseren ersten Gast im Jahr 2024. Simon Klaholz gehört nicht zum alten Eisen. Gemessen an meinem methusalemischen Alter ist er geradezu ein Jungspund. Dennoch schlägt sich der Mittdreißiger schon länger als zehn Jahre mit der MS herum und das tapfer und selbstbestimmt. Nein, er ist kein unerfahrener Mann und auch kein „Frischling“! Auf der Bühne der neurologischen Extravaganzen hat Simon jede Menge Erfahrung. Auch wenn mich die beruflichen Erfahrungen an das Jahr 1995 erinnern, trägt er sie uns ganz frisch im Jahre 2024 vor. Und Leude, daran finde ich wenig Gutes, wenn es um den Umgang mit chronisch kranken Menschen geht.
Aber kommen wir zum Positiven! Simon erzählt uns von der Andreas Mohn Stiftung „Schubkraft“ für junge MS-Erkrankte. Mal ehrlich, wer will schon mit so alten Knöpfen wie mir (hüstel!) die Zeit verbringen? Machen wir uns doch nichts vor, MS-Gruppen waren und sind chronisch überaltert in vielen Städten und Gemeinden. Mit der Oma Kaffee trinken kann nett sein! Aber!
MS ist die häufigste Erkrankung junger Erwachsener. Die Betonung liegt auf „jung“! Und so sehr man vom Fundus der Erfahrung der Alten möglicherweise als junger Mensch profitiert, braucht es zeitgemäße Ratschläge und Konzepte. MS Erkrankte sind von jeher für ihre aufgeschlossene Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit bekannt. Die Altersstruktur der Gruppen, in denen man sich austauscht, war und ist allerdings etwas verknöchert. Davon können Edda und ich ein Lied trällern, waren wir doch auch jung und brauchten das …
Umso schöner, dass uns Simon aus seiner Gruppe „Schubkraft“ frische, moderne Dinge berichten kann. Workshops und Kaffeeklatsch! Empowerment statt Hüft-OP-Diskussion! Bogenschießen nach Käsekuchen!
Irgendwo habe ich mich in Simon wiedererkannt. Und das liegt nicht daran, dass wir beide einen technischen Beruf gelernt haben. Es braucht mehr als Neurologen mit Prospekten über Spritzen- oder Pillentherapie, um mit einer so einschneidenden Krankheit wie MS klar zu kommen! Das muss allen klar sein, könnte man meinen. Es ist aber nicht so klar! Die Ärzteschaft hat sich getrieben vom modernen Gesundheitssystem weitestgehend von Begleitung und Stütze als Therapie hin zur Abfertigungstruppe im Minutentakt entwickelt. Für die Stimme der Patienten werden 30 Sekunden Gehör veranschlagt, wie ich gerade im Netz las. Das gilt es von uns zu händeln! Heutzutage ist Eigenverantwortung wichtiger denn je! Wir können nur hoffen, dass Gruppen wie „Schubkraft“ keine Ausnahme von der Regel bleiben, und dass das Konzept Schule macht. Simon zeigt uns, wie wichtig es ist, selbst aktiv zu werden!
Was mir persönlich sehr auf den Magen geschlagen hat, sind die Erfahrungen, die Simon im Berufsleben machen musste. Es ist genau das Klischee des voreingenommen Arbeitgebers, das ich schon ewig kenne, das mein Arbeitgeber aber nicht bediente, das Simon ganz real begegnete! Besser kein Risiko mit einem Gehandicapten eingehen, lautet das Mantra scheinbar immer noch. Besser Strafe zahlen, als jemanden …
Auch beruflich erfolgreiche Weiterbildung und Fachkompetenz durch jahrelange Berufserfahrung schlagen Vorurteile gegen kranke Menschen offensichtlich nicht. Und das, da wir doch so extremen Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften Allerorten haben sollen. Ist schon komisch, oder?
Einem Arbeitgeber oder Personaler, der sich hierhin verirrt, sei gesagt, dass gerade chronisch Kranke mit besonderem Eifer bei der Sache sind, wenn es um die Arbeitsausübung geht. Für uns geht es um sehr viel mehr als um einen Job! Teilhabe ist nur für Gesunde eine Selbstverständlichkeit! Auch 2024!
Euer Ingenieur!