Folge 2/17: Und Morgen der Himalaya! (Oder die 4-spurige Strasse)

Hallo Leude!

Ein kleiner Junge sitzt neben seinem Papa auf den Stufen der Treppe vorm Haus und sagt: „Ich will im Fußball mal so gut wie Cristiano Ronaldo werden!“

Der Papa antwortet: „Ok, dann solltest erstmal lernen, deine Schuhe zu binden!“

„Oh, Mann, Papa!“, antwortet der Kleine enttäuscht.

Ich habe mein Leben lang Sport gemacht. Gestartet mit fünf Jahren im Turnverein stellte sich heraus, dass Turnen niemals meine Kernkompetenz werden würde. Ich hasste das Reck. Danach versuchte ich es mit Schwimmen. Meine einzige Medaille – es war Gold – errang ich, weil ich in meiner Altersklasse als Einziger die Bewegungen des Delphinschwimmens beherrschte. Mit zwölf fand ich in Tischtennis etwas, dass mir wirklich viel Spaß machte. Bis ich unglaublich viele Bälle auf einmal beim Ligaspiel sah, und häufig den falschen traf, blieb ich dabei. Zwischendurch hatte ich in weiser Voraussicht das Radfahren als Ausdauersportart entdeckt. Da wusste ich noch nicht, dass auch das mit Gleichgewichtsstörungen schwierig werden würde.

Was ich niemals im Sinn hatte: Der deutsche Superstar im TT werden oder Jan Ulrich überflügeln. Nennt es gesunde Selbsteinschätzung!

Ist Sport heutzutage Ronaldo-Gesten nachahmen und wie ein Idiot aussehen? Das Internet mach’s möglich. Die Zehnjährigen können alle Gesten der Top-Fußballer, aber brechen sich beim Laufen die Beine.

Meine Art Sport zu treiben war und ist Boomer-like. Und Leude, natürlich wollte ich gewinnen beim TT. Wollte ich Sportmillionär werden? Nein! Weil, ich war ja nicht blöd.

Wunsch und Wirklichkeit, Begeisterung und Enttäuschung. Diese Gegensätze verfolgen uns seit unserer Kindheit.

Was Christiano Ronaldo verkörpert, hat mit Sport nur wenig zu tun. Es ist eine Medien gemachte Fiction, der Kinder heute nacheifern. Lotto spielen könnte eine größere Chance ermöglichen, reich zu werden und berühmt und definitiv entspannter.

Selbst im Behindertenbereich werden heutzutage die erfolgreichsten Überbehindis zum Vorbild erklärt. Dass Menschen mit künstlichen Körperteilen, die mehr können als 99% der gesunden Bevölkerung unter behindert firmieren, ist ein bisschen strange.

Was ist Sport eigentlich?

Die TAZ nennt es Leibesübungen, meint aber auch nur die Superhelden des Sports. Eines halten wir einfach mal fest. Es hat etwas, mit Bewegung zutun. Allerdings wird Schach auch als Sport verkauft und da bewegt sich nicht mal die Luft im Raum.

Edda fragte im Podcast, wo Sport überhaupt anfängt, also welche Ertüchtigung schon Sport ist und nicht bloße, normale Bewegung. Wo Sport den Olymp des Erfolgs markiert, wissen sogar die Kinder, die sich noch nicht einmal die Schuhe zubinden können.

Die Perspektive ist, glaube ich, wichtig. Ich halte Eddas Training, um auch nur einen Bühnenauftritt in ihrem Sinne hinzubekommen, definitiv für Sport. Klavierspielen, Atmen, Singen, Beine und Arme samt Stimme in Einklang bringen. Aus meiner Sicht tut sie Dinge, für die ich unfassbar lange trainieren müsste, da meine Hände taub und spastisch sind. Und die Performance am Ende wäre trotzdem so schlecht, dass ich niemandem wünschte, dabei anwesend zu sein.

Fürs Radeln ist weder Stimmgewalt noch Handvirtuosität von Nöten. Im Dreirad muss man nicht aufrecht sitzen können. Singen kann ich auch nicht und gerade sitzen ohne Lehne kannste auch vergessen. Für mich war Radeln folgerichtig und hat mir unglaublich viel gebracht. Und Leude, am Anfang überholten mich Vierjährige auf dem Bobbycar. Es gab noch keine E-Bikes.

Der gleiche Neurologe, der mir von Sport komplett abriet, als ich mich als Sportler outete, riet mir, Sport zu machen, als ich es nicht mehr konnte.

So sind sie, unsere Ärzt*innen. Für jeden die passende Antwort.

Das Blöde an unserem Sport ist, dass niemand vermutet, was dahinter steckt. Ist ja auch klar. Sitzen geht im Alter von zwölf Monaten und mit drei wird das Schreien langsam endlich weniger. Radeln kannste spätestens mit sechs und schwimmen vielleicht etwas später.

Viele Gesunde glauben, dass die Paralympics zeigen, was Kranke und Behinderte Tolles erreichen können. Dabei wird der Unterschied zwischen krank und behindert nicht erwähnt. Ich behaupte mal, die meisten kennen den Unterschied gar nicht. Auch kranke und behinderte Menschen sehen diese Art der Leistungsschau Gehandicapter häufig positiv. Ich sehe das nicht so. Sorry!

Eines behaupte ich jetzt mal: „Sport zu betreiben zur reinen Körperertüchtigung, ohne Ziel, können nur sehr wenige Menschen!“ Ich brauche Ziele, obwohl ich süchtig bin. Andernfalls ist es eine Qual.

„Herr Riepe! Sie dürfen nun nur noch ganz ohne Stress Sport machen und äußerst vorsichtig!“

„Aha! Also gar nicht“, dachte ich damals.

Mein Psychologe blies ins gleiche stumpfe Horn. Heute frage ich mich, ob die berühmten Spitzensportler*innen dasselbe erzählen würden. Sicher nicht!

Chronisch Kranken gleich beim Einstieg ins neue Leben die Rente ans Herz legen, könnte ein fragwürdiger Rat sein. Der Umgang von Neurolog*innen mit uns Kranken kann man mit Fug und Recht als paradox bezeichnen.

In meinem Beruf nennt man den widersprüchlichen Rat meines Neurologen: Die Eierlegende Wollmilchsau!

Sport, also Bewegung, ist, egal wie krank man ist, ein heutzutage anerkannter Bestandteil von Zustandsverbesserung oder zumindest Erhalt.

Ich definiere Sport heute so für mich: Jede Bewegung, die nicht Arbeit oder der täglichen Aufgaben direkt dient, ist Sport für mich. Treppenstufen ausprobieren, gerade sitzen üben, mit Hund Gassi gehen.

Warum es so wichtig ist, zu unterscheiden, ob man eine vierspurige Straße überquert, um einzukaufen, oder im Wald auf weichem Boden Gehübungen macht, sollte jedem einleuchten. 

Erst wenn du absolut sicher bist beim Hinfallen, kannst du dich dem Moloch der Gesunden aussetzen, willst du nicht überfahren oder im Einkaufszentrum umgerannt werden.

„Sport ist Mord“, sagen die Couchpotatoes.

Richtig ist: Leistungssport ist absolut ungesund. Dabei ist es völlig egal, ob Leistungssportler behindert sind oder nicht.

Guckt euch mal an, wie der nicht behinderte Boris Becker heute gehen kann!

Fun Fact: Ich kann’s besser!

Euer Ingenieur!

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.